Autofahren ohne Fahrer

Sie nehmen auf dem Beifahrersitz Platz und entspannen, während ihr Auto sie völlig eigenständig durch den Feierabendverkehr nach Hause fährt?
Von Ingo Buck (bbs)
Was sich wie Zukunftsmusik anhört, ist bald möglich. Der Hamburger Automobilzulieferer Ibeo hat ein Serienauto mit einer Technik ausgerüstet, mit der es fahrerlos fahren kann.

Vor uns steht ein fast serienmäßiger VW Passat. Von außen unterscheidet sich der Variant nicht erkennbar von seinen Serienbrüdern. Drei Lasersensoren, ein GPS-Navigationssystem und zwei kleine Computer sind das Herzstück des Wagens. In der vorderen Stoßstange, unterhalb der Blinker, sind nicht sichtbar links und rechts jeweils Lasersensoren untergebracht. Sie scannen den Bereich vor dem Auto auf eine Entfernung von 30 cm bis 200 Metern ab. Am Fahrzeugende sorgt ein Laser für die Hecküberwachung.
Fahren ohne Fahrer
Es befindet sich kein Mensch im Auto. Das Fahrzeug wird per Fernbedienung von einem Mitarbeiter gestartet. Das Fahrlicht geht an und langsam, fast gespenstisch, setzt sich der Passat in Bewegung. Er hält an einer Kreuzung, lässt entgegenkommenden Verkehr vorbeifahren und setzt sich sodann – links abbiegend – in Bewegung. Auch die Blinkzeichen vergisst das führerlose Fahrzeug nicht. Dann folgt eine Sperrung der Straße: Kein Problem für die Lasersensoren, die solche Situationen sofort erkennen. In drei Zügen wendet das Auto sicher und setzt seine Fahrt über einen anderen Weg fort. Ein Navigationssystem hilft bei der Routenführung.

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Elektrische Helfer
Moderne Fahrzeuge besitzen heute schon elektrische Lenkhilfen, elektrische Gaspedale und Bremsassistenzsysteme. Diese Technik wird auch hier genutzt, ohne das dicke Kabelbäume oder Leitungen durch das Fahrzeug verlaufen.
Die Lasertechnologie soll bis zu einer Geschwindigkeit von 200 km/h zuverlässig arbeiten. Dabei werden andere Fahrzeuge, Fußgänger, Gebäude und Fahrspurmarkierungen erkannt. Sogar Schmutz, Regen und Schnee soll dem System nichts ausmachen, da es diese Beeinträchtigungen kompensieren kann.
In Lübeck getestet
Um die Fähigkeiten unter Beweis zu stellen, startet der von Ibeo ausgerüstete VW Passat in diesem Jahr bei einem außergewöhnlichen Rennen in den USA. Am 3. November werden bei der Darpa Urban Challenge in Kalifornien unter 36 Teams drei Sieger ermittelt, die die 100 km lange Strecke auf einem abgesperrten Militärgelände am schnellsten und sichersten bewältigen können. Es winken für die ersten Drei Preisgelder in Höhe von 500.000 bis 2 Millionen US-Dollar. Das Team „Lux“ hat sich mit dem Ibeo Passat von insgesamt 89 Teams für dieses Rennen qualifiziert und rechnet sich sehr gute Chancen auf den Sieg aus. Kein Wunder, denn das Unternehmen hat für diesen Wettbewerb in Lübeck-Blankensee, auf dem Gelände der KWL (Koordinierungsbüro Wirtschaft in Lübeck), ausreichend getestet.
Technik der Zukunft
Die Hamburger Ibeo Automobile Sensor GmbH ist sich sicher, dass laserscannerbasierte Lösungen in der Zukunft eine bedeutende Rolle im Autoverkehr spielen werden. Mit dem fahrerlosen Auto will das Unternehmen zeigen, was in der Gegenwart möglich ist. Für die Zukunft setzt der weltweit führende Spezialist auf automobile Sicherheitslösungen, wie automatische Notbremsung, Aktivierung der Sicherheitssysteme bei einem drohenden Crash, Fahrspurverlassenswarnung, Auffahrschutz und beim Lkw zusätzlich auf einen Abbiege-, Anfahr- und Einscherassistent. Die Produktion von Lasersensoren soll in Kleinserie ab nächstes Jahr in Hamburg beginnen. Je nach Stückzahlen soll der Preis eines Sensors von jetzt rund 9500 Euro, auf 380 Euro sinken, damit einer großen Anwendungsbreite nichts im Wege steht.

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Technik: So arbeitet ein Ibeo Laserscanner
Der Sensor sendet einen Lichtstrahl (Laserimpuls) aus. Die Reichweite reicht dabei von 30 cm bis zu 200 m. Der Lichtstrahl wird von den Objekten, auf die er trifft, reflektiert. Diese Reflexion wird durch eine im Gerät sitzende Photodiode aufgefangen und zu Signalen verarbeitet. Der Zeitunterschied zwischen ausgesandtem Lichtimpuls und Empfang der Reflexion wird mit der Lichtgeschwindigkeit verrechnet. So erhält man genaue Angaben über die Entfernung des reflektierenden Gegenstands. Schon mit der zweiten Reflexionsmessung kann dessen Geschwindigkeit und Bewegungsrichtung bestimmt werden. Durch patentrechtlich geschützte Erfindungen stehen den Ibeo Sensoren insgesamt 16 Reflexionen (Echos) pro Messung zur Verfügung. Das Ergebnis wird per Spezialsoftware in zwei Computern verarbeitet und soll so eine zuverlässige und sichere Objekterkennung bilden. Der Sensor scannt und misst zeitgleich auf vier horizontalen Ebenen. Der Vorteil daran: Objekte werden sicher erfasst, denn Nickbewegungen des Fahrzeugs, die zum Beispiel durch unebene Straßenverhältnisse oder einen dynamischen Fahrstil entstehen, werden kompensiert. Die Laserscanner sollen für das Auge ungefährlich (Laserklasse 1) sein.
 
Rennwagen und Team: Das Team-LUX ist einer der 36 Halbfinalisten, die zur WM
der autonom fahrenden Fahrzeuge antreten, der Darpa Urban Challenge in den USA. Der präparierte Serienwagen kann typische städtische Verkehrssituationen autonom bewältigen, zum Beispiel Gegenverkehr beachten, überholen, abbiegen, Routen berechnen, U-Turns und schwierige Kreuzungssituationen meistern. Die Höchstgeschwindigkeit darf im Wettbewerb 50 km/h nicht überschreiten. Das Fahrtraining wurde in Lübeck-Blankensee gemacht.

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zuletzt aktualisiert am 18.04.2024 

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